Am 14.11.1897 hatte das Deutsche Reich in China ein Stück Territorium an der Kiautschou-Bucht besetzt, um dort einen Flottenstützpunkt für das deutsche Ostasien-Kreuzergeschwader zu errichten. Durch den Vertrag vom 6.3.1898 konnte ein Areal von ca. 500 qkm an der Kiautschou-Bucht für 99 Jahre gepachtet werden. Die Verwaltung dieses Pachtgebietes wurde dem Reichsmarineamt unterstellt. Es veranlaßte nicht nur den Bau eines modernen Hafens, sondern auch einer ganz neuen Stadt, die den Namen Tsingtau erhielt, und den Bau einer Eisenbahn von Tsingtau nach der Provinzhauptstadt Tsinanfu. Da eine komplett neue Stadt aufgebaut werden mußte, gab es eine große Fülle von Bauprojekten, und die deutsche Verwaltung Tsingtaus richtete dementsprechend auch eine amtliche Bauabteilung ein. Offensichtlich hat Fritz Biber eines Tages, er war nun 24 Jahre alt, eine Anzeige des Reichsmarineamtes gelesen, daß man in Tsingtau Architekten und Bauingenieure benötige, hat sich beworben, wurde genommen und verließ Landau am 1.1.1900 in Richtung China. Bis zum Kriegsbeginn 1914 ist Biber als Angestellter der Tsingtauer amtlichen Bauabteilung tätig gewesen und hat dementsprechend am Bau dieses und jenes amtlichen Gebäudes mitgewirkt. In der Festschrift „Landau 1900 – Landau 2000“, S. 87 heißt es allerdings: „Die Chinazeit wurde durch mehrere berufliche Tätigkeiten in Deutschland unterbrochen.“
Am 9.10.1902 heiratete er in Tsingtau Helene Margarete Jähnigen, 26 Jahre alt, die Erzieherin beim deutschen Gouverneur, Kapitän z.See Oskar Truppel. Im evangelischen Kirchenbuch von Tsingtau wird der Name der Braut als Helene Jänigen angegeben. Die Trauung wurde von Gouvernementspfarrer Lic.theol. Wilhelm Schüler vorgenommen.
Von 1901 bis 1914 erschien jährlich das Adreßbuch Tsingtaus. Aus 11 Jahrgängen, die ich besitze, habe ich folgende Notizen zusammenstellen können. Zunächst muß jedoch auf die damalige Terminologie der Bürokratie eingegangen werden. Von 1901 bis 1907 wird Biber als Techniker bzw. Bautechniker erwähnt, von 1908 bis 1913 als Technischer Hilfsarbeiter. Der Ausdruck „Hilfsarbeiter“ hatte damals eine ganz andere Bedeutung, etwa im Sinne von „Mitarbeiter“, und zwar durchaus hochrangigem Mitarbeiter. Die Festschrift von 2000 schreibt, er habe in Tsingtau „als staatlicher Bauassistent und später als Baurat“ gearbeitet.
Daß Biber es bis 1914 zum „Baurat“ gebracht hat, läßt sich aus den Adreßbüchern nicht belegen, sein langjähriger Chef und Leiter des dortigen Hochbauamtes Strasser führte als einziger den Titel „Baurat“.
Die Tsingtauer Adreßbücher waren so gegliedert, daß zunächst die Firmen und ihre Mitarbeiter, dann die einzelnen Abteilungen der Administration und ihre Mitglieder genannt werden. Am Schluß ist dann noch eine alphabetische Namensliste, getrennt in Herren- und Damen-Liste, bei der meistens die Wohnadresse angegeben wird.
1901: Fritz Biber, Techniker, wohnt in der Bürobaracke beim Lazarett. Daraus kann man schließen, daß er wohl beim Bau der einzelnen Pavillons des Garnison-Lazaretts beschäftigt war.
1902: Bautechniker, gehört zur Bauabteilung III. Wohnt in der Friedrichstraße.
1903: Bautechniker, Bauabteilung III b. Er und Frau Biber wohnen in der Friedrichstraße.
1905: Herr und Frau Biber werden nicht erwähnt. Sind offenbar auf Heimaturlau
1908-11: Ist jetzt Technischer Hilfsarbeiter, in der Bauabteilung III b. Hat jedes Jahr eine andere Wohn-Adresse. 1908: Ecke Bremer und Friedrichstraße. 1910: Friedrichstr. 265 II. 1911: Ecke Honan und Taku Str.
Von 1908 bis 1910 wurde die protestantische Christuskirche errichtet. Sie löste die 1899 erbaute Gouvernementskapelle ab. Eigentümer und damit Bauherr der neuen Kirche war nicht das Gouvernement, sondern der Evangelische Kirchenausschuß in Berlin, der auch die Bausumme von 236000 Mark zusammengebracht hatte. Der Bauplan war durch eine öffentliche Ausschreibung gewonnen worden, an der nur Architekten in Ostasien teilnehmen durften. 11 Entwürfe wurden eingereicht. Den ersten Preis erhielt Curt Rothkegel, früher Kollege von Biber in der Bauabteilung des Gouvernements. Ob Biber auch einen eigenen Entwurf eingereicht hat wissen wir nicht. Bekannt geworden sind nur die Namen der ersten 3 Preisträger. Obwohl es sich nicht um einen staatlichen Bau handelte, hatte die Kirche die Bearbeitung des Ausführungsentwurfes und die Bauleitung dem amtlichen Hochbaudirektor Strasser übertragen, dem als Hilfskraft nebenamtlich anfangs Regierungsbaumeister Blaich und Architekt Hachmeister, später, speziell für die örtliche Bauleitung, Architekt Biber zur Seite standen (laut Bericht in den „Tsingtauer Neuesten Nachrichten“ vom 22.10.1910).
Die Kirche steht noch heute und wird seit 1980 von den chinesischen Protestanten benutzt.
Mit Beginn des 1.Weltkrieges erklärt Japan dem Deutschen Reich den Krieg und belagert Tsingtau. Biber muß bei der Verteidigung als Vizefeldwebel mitwirken und gerät deshalb nach der Eroberung Tsingtaus in Kriegsgefangenschaft, die er in Japan von 1914 bis 1920 absitzen muß. Er ist zunächst im Lager Osaka, dann in Ninoshima. Die Behauptung in der Landau Festschrift von 2000, S.87, Biber sei „als einziger Zivilgefangener“ in Japan festgehalten worden, ist rätselhaft und beruht wohl auf einem Mißverständnis. Die Festschrift (S.87) fährt dann fort: „Durch Vermittlung des Deutschen Roten Kreuzes kehrte er (nach dem Januar 1920) dann über Chicago nach Deutschland zurück.“ Hier arbeitete er in den Reichsvermögensämtern Landau, Münster und Hannover. Er starb, 93jährig, am 19. Februar 1969 in Landau.
——————————————————
Benutzte Quellen:
1) Im Jahre 2000 gab das Archiv und Museum der Stadt Landau in der Pfalz eine Festschrift heraus mit dem Titel: „Landau 1900 – Landau 2000“. Sie enthält auf den Seiten 86-87 eine biographische Skizze des Fritz Biber mit einem Gruppenfoto, auf dem auch Biber zu sehen ist. Der Autor des Artikels ist nur mit M.M. angegeben.
3) Tsingtauer Neueste Nachrichten vom 22.10.1910