Cordes, Heinrich (1866 -1927), Dolmetscher und Bankdirektor

Geboren in Lübbecke/Westf.  5.3.1866, evangel. –  Gestorben in Breslau am 5.7.1927Eltern: Carl Cordes,  Gerichtssekretär am Landgericht in Bielefeld, u.Marie, geb. Schuster.

Heinrich besuchte die Bürgerschulen in Lübbecke, dann in Halle/Westf., später das Realgymnasium in Bielefeld, wo er das Abitur 1886 absolvierte. Daraufhin Militärdienst als Einjähriger vom 1.4.1886 bis 1.4.1887, schließt diesen ab als Vizefeldwebel d.R., erhält später den Rang als Leutnant d.R. Beginnt Ostern 1887 an der Universität Berlin das Studium der Philologie, wechselt aber nach einem Semester über zum Jura-Studium. Gleichzeitig tritt er am Seminar für Orientalische Sprachen in die Chinesischklasse ein und absolviert erfolgreich am 24.7.1890 die Diplomprüfung für Chinesisch. Am 26.2.1892 besteht er die erste juristische Staatsprüfung und wird ab 31.3.1892 als Gerichtsreferendar angestellt. Einige Wochen vorher hatte er an das Auswärtige Amt den Antrag gestellt, in den auswärtigen Dienst übernommen zu werden. Am 24.8.1892 teilt das AA ihm mit, dass er als Dolmetscheraspirant nach Peking gehen kann. Im deutschen Auswärtigen Dienst gab es damals noch drei streng geteilte Lauf-bahnen: den diplomatischen, konsularischen und Dolmetscher-Dienst. Ein Dolmetschereleve mußte sich für 10 Jahre verpflichten. Danach bestand eventuell die Möglichkeit, in den konsularischen Dienst übernommen zu werden. Hierfür mußte man sich einer sog. Konsulats-prüfung unterziehen. Sie bestand in der Anfertigung zweier schriftlicher Arbeiten, einer „wissenschaftlichen“ und einer „praktischen“, die letztere mußte in Englisch oder Französisch geschrieben werden. Fielen die Arbeiten nicht so gut aus, erfolgte noch eine mündliche Prüfung.

Cordes unterschrieb also den Anstellungsvertrag als Dolmetschereleve und traf am 15.12.1892 in Peking ein. Der Vertrag gewährte ihm freie Wohnung im Gelände der Gesandt-schaft und ein Jahresgehalt von 6000.- Mark. Wie jeder Aspirant erhielt er einen chinesischen Lehrer zur Vervollkommnung seiner Chinesischkenntnisse. Gemäß dem deutschen Beamtensystem gab es an der Gesandtschaft in Peking die üblichen „etatsmäßigen Planstellen“. Dementsprechend gab es den 1.Dolmetscher (das war von 1890 bis 1900 Conrad Freiherr von der Goltz) und den 2. Dolmetscher. Cordes war von Dez. 1892 bis Frühjahr 1895 als Dolmetschereleve an der Gesandtschaft tätig, ab 18.4.1895 vertrat er kommissarisch den 2.Dolmetscher, der auf Heimaturlaub ging. Am 12.5. 1896 schließlich erhält er diesen etatsmäßigen 2. Dolmetscherposten in Peking, jetzt mit einem Jahresgehalt von 9000.- Mark und freier Wohnung. (Der 1.Dolmetscher, der den umständlichen Titel führte: „Secrétaire interprète“, hatte ein Gehalt von 15000.- Mark.) Wenige Wochen später traf als neuer deutscher Gesandter in Peking Freiherr von Heyking ein. Er scheint mit den Fähigkeiten von Cordes nicht so zufrieden gewesen zu sein. Jedenfalls meldet Berlin am 10.12.1896 nach Peking, dass der Gesandte beantragt habe, anstelle des 2. Dolmetschers, Cordes, der zur Vertretung des ersten im Verkehr mit dem Tsungli Yamen seiner Persönlichkeit nach nicht geeignet sei, Dr. Otto Franke zum 2. Dolmetscher zu ernennen. Dieser sei zur Zeit der beste Dolmetscher, den wir jetzt in China haben, durch seine Sprachkenntnisse und Gewandtheit seines gesellschaftlichen und amtlichen Auftretens.

Immerhin war Cordes also jetzt Reichsbeamter mit Anspruch auf eine Pension. Charakteristisch für die diplomatischen Vertretungen des Deutschen Reiches in China war es, dass von den Beschäftigten ständig welche krank waren oder gerade Heimaturlaub hatten, so dass die Beamten kreuz und quer durch China geschickt wurden, um Vertretungen temporär vakanter Posten wahrzunehmen. Kaum war Cordes der offizielle 2. Dolmetscher in Peking geworden, musste er im September 1896 an das Konsulat in Canton, wo er bis Mai 1897 den Dolmetscherdienst übernahm. Hier begann er eine Liaison mit der  16jährigen Halbchinesin Yuksin Chou, die er später auch legal heiratete, nachdem sie ihm 9 Kinder geboren hatte. Kaum wieder in Peking eingetroffen, schickte man ihn ein paar Wochen später im Juli 1897 nach Hankou, wo das Deutsche Reich eine Konzession erhalten hatte. Dort sollte er für die einzurichtende deutsche Niederlassung die notwendigen Grundstücke kaufen, was ungefähr ein Jahr dauerte. Inzwischen war Dr. Franz Grunenwald als Vizekonsul für Hankou eingetroffen, Cordes blieb in Hankou bis Mai 1899 und vertrat dort den noch nicht besetzten Dolmetscherposten.

Sechseinhalb Jahre war er nun in China und hatte jetzt Anspruch auf einen sechsmonatigen Heimaturlaub. Am 24.6.1899 verlässt er Peking. Der deutsche Kaiser verleiht ihm am 13.8. den Roten Adler Orden 4. Klasse, als Anerkennung für seine Tätigkeiten bei der Einrichtung der Niederlassung in Hankou. Da er Leutnant d.R. ist, muss er im Anschluss an seinen Urlaub in Berlin an einer militärischen Dienstübung teilnehmen. Diese tritt er am 12. März 1900 an, sie sollte bis zum 12. Mai dauern. Da ereilt ihn das Schicksal in Form einer kaiserlichen Order, dass er unverzüglich sich nach Peking begeben soll, da von den drei Dolmetschern nur Freiherr von der Goltz dort anwesend ist, dieser aber am 2. April 1900 einen Heimaturlaub angetreten hat. Nach einem Monat, am 8.April, beendet also Cordes vorzeitig den Militär-dienst, schifft sich am 17.4. in Genua ein und erreicht Tientsin am 1.6.1900, wo er die Ausländer in heller Aufregung vorfindet, da die Boxer bereits ausländische Eisenbahn-ingenieure an der Paotingfu Linie vertrieben und einige auch ermordet hätten. Die ganze Provinz Hebei befände sich im Aufruhr. Cordes gelingt es noch, am 2.6. mit der Eisenbahn von Tientsin nach Peking zu kommen – 2 Tage später wurde die Linie von den Boxern zerstört.  Der auswärtige Dolmetscher Forke, der seit dem 2.4. die Dolmetscherstelle wahr-genommen hatte, war bereits einen Tag vorher am 1.6. nach Shanghai abgereist. Nur 17 Tage nach Cordes Eintreffen in Peking, am 19. Juni, begann die Belagerung der Gesandtschaften mit der Kriegserklärung Chinas an die ausländischen Mächte und der Aufforderung an die Gesandten, innerhalb von 24 Stunden Peking zu verlassen. Der deutsche Gesandte, Clemens Freiherr von Ketteler, will die chinesische Regierung noch umstimmen und begibt sich am 20. Juni vormittags zum Außenministerium (Tsungli Yamen). Cordes begleitet ihn als Dolmetscher. Von den beiden sitzt jeder in einer Sänfte. Kurz vor dem Ministerium sieht Cordes, wie ein uniformierter mandschurischer Bannerunteroffizier an Kettelers Sänfte, die vor ihm getragen wird, herantritt und sein Gewehr auf den Gesandten richtet. Cordes schreit „Halt“, in dem Moment kracht der tödliche Schuss, die Träger lassen die Sänften fallen. Cordes erhält noch in der Sänfte einen Durchschuss durch Oberschenkel und Unterleib, kann aber herausspringen, und obwohl die mandschurischen Soldaten heftig auf ihn schießen, kann er sich durch Seitengassen davonschleppen, bis er nach einer halben Stunde amerikanische Militärposten am Hatamen erreicht, wo er bewusstlos zusammenbricht. Auf einer ausgehängten Tür als Tragbahre wird er in die britische Gesandtschaft getragen, wo für die Zeit der erwarteten Belagerung ein allgemeines Hospital eingerichtet worden war. Die Wunde heilt erstaunlich gut, und als Rekonvaleszent schreibt er die ihm berichteten Tagesereignisse der Kämpfe in Form von Briefen an einen Freund in Deutschland nieder. Dieser erhält die  Schilderungen nach der Befreiung zugeschickt, und er wiederum gibt sie an die Kölnische Zeitung, die Auszüge in Fortsetzungen vom 6.-8. Nov. 1900 abdruckt. Da Cordes der einzige Augenzeuge des Attentates auf von Ketteler war, ist er durch seinen Bericht in die Annalen der Geschichte eingegangen. Hätte er, wie vorgesehen, seine militärische Übung erst am 12. Mai in Berlin beendet, dann wäre ihm die Heimsuchung der Verwundung und der wochen-langen Belagerung des Pekinger Gesandtschaftsviertels erspart geblieben und das Schicksal hätte Forke getroffen. Cordes durfte  sehr bald einen Genesungsurlaub nach Südchina antreten, der dann verlängert wurde zu einem Heimaturlaub, damit seine volle Gesundheit wiederhergestellt werde. Am 1. Febr. 1901 traf er in Genua ein und blieb zunächst im milden Klima Norditaliens, ehe er später nach Berlin ging. Dort trat die Direktion der Deutsch Asiatischen Bank an ihn heran, ob er nicht die Leitung der Tientsin Filiale der DAB übernehmen könne. Sicherlich hat Cordes freudig zugestimmt, am 1.6. beantragt er die Entlassung aus dem Reichsdienst, die ihm am 12. Juni 1901 gewährt wird, er darf den Titel „Konsul“ führen – obwohl er nie einer gewesen ist. Wenige Tage vorher, am 5. Juni, wurde er von Kaiser Wilhelm II. im Neuen Palais zu Potsdam empfangen. Zu seinem Roten Adler Orden 4. Klasse erhält er zusätzlich die „Schwerter“, wohl weil er quasi an einer „Kriegs-front“ verwundet wurde. Weitere Orden, die er im Laufe der Zeit erhielt: 1902 den russischen St. Annen Orden 3. Klasse mit Schwertern für die Verteidigung der Pekinger Gesandtschaf-ten. 1902 die China Gedenkmünze aus Bronze. 1908 den Kronen Orden 3. Klasse für den Eisenbahnvertrag zum Bau der Tientsin-Pukou Bahn. 1913 den Roten Adler Orden 3. Klasse mit Schleife und Schwertern am Ringe. Januar 1914: den chinesischen Chia Ho Orden 3. Klasse.

Cordes war also seit Herbst 1901 Direktor der Tientsin Filiale der DAB und außerdem Präsident des deutschen Konsortiums für Regierungsprojekte mit China. Ein wichtiges Anliegen der ausländischen Mächte in China war es damals, Regierungsanleihen zu platzieren und Eisenbahn-Konzessionen zu ergattern. Nachdem die Deutschen 1899-1904 die Eisenbahn von Tsingtau nach Tsinan fertiggestellt hatten, war es ihnen ein wichtiges Anliegen, auch die Nord-Süd-Strecke durch Schantung zu bauen, von Tientsin über Tsinan an den Yangtse. Die überaus komplizierten und schließlich erfolgreichen Verhandlungen für den geplanten Bau der Tientsin-Pukou Bahnlinie (als chinesische Staatsbahn!) erstreckten sich von 1903 bis 1908. Verhandlungspartner auf der einen Seite war ein Vertreter der chinesischen Regierung (zuletzt war es Liang Tun-yen), auf der anderen Seite Cordes für die DAB und Mr. J.O.P. Bland für das britische Eisenbahnkonsortium.

Weitere Eisenbahn-Konzessionen und Anleihen, bei denen Cordes in den Jahren bis 1914 mitwirkte, sollen hier nicht aufgezählt werden. Im Jahre 1905 eröffnete er für die DAB eine Filiale in Peking und zog dann, nachdem er zunächst Direktor für beide Plätze war, ganz nach Peking, wo ja doch der Schwerpunkt für alle Verhandlungen mit der chinesischen Regierung lag.   Mit dem Beginn des Krieges im August 1914 veränderten sich die Gegebenheiten in Peking grundlegend. Es sei aber zunächst die Schilderung des amerikanischen Journalisten M. Brace vom Dezember 1914 bezüglich der Persönlichkeit von Cordes hier eingefügt:

„One of the most interesting men whom I met in Peking was Mr. Cordes, manager of the Deutsch-Asiatische Bank, and said to be the man behind the throne in the German Legation. He was much like my own father in appearance, and his long life in the Far East as German interpreter and banker had taken away all the bluntness from him and left German culture without the risks of German piggishness. Mr Moore from the Associated Press invited Mr. Cordes, Baron Maltzan, Charge d’affaires of the German Legation, and another German in for lunch to meet me. Later Baron Maltzan had the Moores and myself over for dinner. It was an interesting evening. Mr. Cordes had brought bottles of his own aged whiskey with him as he told us was always his custom when going out to dine. Mr. Cordes a long time ago married a Chinese woman and has several children, black-eyed queer coloured youngsters of whom he is very fond. The fact of his marriage to a Chinese woman has made his status a peculiar one in Peking. He never shows his wife in public. She never goes out with him and has been seen by very few in Peking. He does not speak of her ever, but is very proud of his children. I sat in his office one morning and listened to his tell of the interesting incidents in connection with the formation of the present Quintuple Group which controls the so-called reorganization loan. Cordes told a story of intrigue, of conflicting national interests, of bickering and methods of the powers that go far to make one sceptical of professions of altruism of any sort expressed nationally.”

(Quelle: M.Brace Diary, handschriftlich. Copyright by Eric Brace, Nashville)

Nach Ausbruch des Krieges im August 1914 bemühten sich die deutschen Diplomaten in Peking, dafür zu sorgen, dass China neutral bleibt. Nachdem Yüan Shi-kai am 6. Juni 1916 gestorben war, schickte Cordes im August 1916 ein Telegramm an das AA, in welchem er vorschlug, China durch ein deutsches Bankenkonsortium eine Anleihe von insgesamt 10 Mio $ zu geben. Dazu ist es nicht gekommen, da sich nun die für Deutschland negativen Ereignisse überstürzten. Präsident Chinas wurde Li Yüan-hung, der bis dahin Vizepräsident unter Yüan gewesen war. Er war an sich deutschfreundlich und gegen die Teilnahme Chinas am Weltkrieg. Aber die Entente konnte die Parlamentarier mit ausreichenden Geldern bestechen, so dass China im März 1917  die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abbrach, und im August folgte die Kriegserklärung. Cordes blieb in Peking, wurde allerdings „in Schutzhaft“ genommen und zwangseinquartiert im Kloster Ch’i Yuen Sse, während seine Frau und fünf Kinder in der Deutsch-Asiatischen Bank in der Legation Street wohnen blieben. Jedoch  am 13. 12. 1918 wurde die Bank von vietnamesischen Soldaten der französischen Gesandtschaftswache gestürmt, total ausgeplündert und in mehreren Räumen Brände angelegt, die dann von herbeigeeilten holländischen Soldaten gelöscht wurden. 1919 wird Cordes, wie die meisten Chinadeutschen, repatriiert. Seine Frau, die nur Chinesisch und Englisch spricht, bleibt mit einigen Kindern in Peking. Cordes lebte, wohl seit seinem Canton Aufenthalt 1896/97, mit seiner Lebensgefährtin zusammen, die ihm 9 Kinder gebar. Erst 10.08. 1914 hat er sie legal geheiratet. Es existiert ein Originalbrief der Tochter Dr. med. Antonia Cordes aus dem Jahre 1933, wo sie beantragt, in die NSDAP aufgenommen zu werden. Dort muß sie etwas über ihre Vorfahren aussagen und meldet, daß ihre Mutter, Yuk-sin Cordes (geb. Chou), eine Halbchinesin sei. Von ihrer Mutter sei deren Vater ein Engländer, die Mutter Südchinesin gewesen. Die Gauleitung Thüringens lehnt den Antrag von Toni Cordes ab wegen ihrer „nichtarischen Abstammung“. Sie war damals Assistenzärztin an den Universitätskliniken in Jena. Ihr Chef  schlug im Frühjahr 1933 vor, er und alle seine Assistenzärzte sollten geschlossen in die NSDAP eintreten! Deswegen mußte auch Toni Cordes, wollte sie nicht ihren Posten verlieren, den entsprechenden Antrag stellen. Wegen der Ablehnung ging sie daraufhin für eine kürzere Zeit nach Peking, wohnte bei ihrer Mutter (die bald starb). Sie wurde schließlich  Ärztin in Apolda.

Nach seiner Ankunft in Deutschland (1919) zog Cordes in das kleine Dörfchen Wickersdorf im Thüringer Wald, wo sich ein Schulinternat, hauptsächlich für Kinder von Auslandsdeutschen, befand, und wohin Cordes seine älteren Kinder von China aus zur Ausbildung geschickt hatte. Er hatte bereits um 1902 dort ein Haus gekauft, in welches seine unverheiratete Schwester Marie zog und seine Kinder betreute.  Auch die Kinder des Ingenieurs Stickforth, der ab 1900 als Vertreter der Firma Vering den Hafen von Tsingtau gebaut hatte, gingen in Wickersdorf zur Schule und erhielten die Spitznamen Tsching, Tschang, Tschung. In Tsingtau hatten sie, wegen des Berufs ihres Vaters, die Spitznamen: Mole I, Mole II und Mole III.

Als sich im November 1919 abzeichnete, daß die deutsche Reichsregierung eine Delegation nach China senden würde, um in Verhandlungen zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen einzutreten, schrieb der Vorsitzende des Ostasiatischen Vereins in Hamburg, March, am 2.12.1919 an den Staatssekretär des AA, Hermann Müller, und empfiehlt „einen inoffiziellen Unterhändler mit langjähriger Erfahrung und mit guten Verbindungen in Peking mit Direktiven des AA ausgestattet, hinauszusenden,“ nämlich „Herrn Cordes von der DAB, welcher nicht nur das Vertrauen der Deutsch-Chinesischen Firmen, sondern auch im hohen Maße das Vertrauen hochgestellter Chinesen auf sich vereinigt.“  Knipping, der kommissarische Leiter der Ostasienabteilung im AA und bis Herbst  1917 Generalkonsul in Shanghai, entwirft am 13.12. hierzu eine Stellungnahme, mit Bleistift geschrieben: Als Unterhändler für China empfiehlt er Dr. Herbert von Borch, da ihm aus früherer Tätigkeit als Dolmetscher in China keine Schwierigkeiten erwachsen dürften. „Was die Persönlichkeit des Herrn Cordes anlangt, so ist zu sagen, daß er zweifellos ein guter Kenner des Pekinger Milieus aus der vorrepublikanischen Zeit ist. Fühlung unter den jungchinesischen Elementen hat er naturgemäß wenig, sie muß im wesentlichen erst geschaffen werden. Seine fachmännischen Kenntnisse auf dem Gebiete des Bankenwesens und des Handels sind nicht höher zu bewerten als die irgend eines anderen Beraters. Was jedoch gemahnt, bei seiner Verwendung von Reichs wegen besonders vorsichtig zu sein, ist der Umstand seiner Belastung von früher her in zweifacher Beziehung: 1) sein höchstpersönlicher Zusammenhang mit den Ereignissen von 1900, die zu Chinas Demütigung führten, und 2) seine nahen Beziehungen zu Mandschu-Kreisen und sein Verhalten bei dem letzten Mandschu-Putsch am 1.7.1917 (Beglückwünschung Liang Tun Yens). Überhaupt ist seine Stellung in Peking zu ausgesprochen pro oder contra gewesen, und es liegt bei ihm die große Gefahr vor, dass unser amtlicher Vertreter durch einen solchen Berater wieder in alte, keine Rolle mehr spielen sollende Parteiungen hineingezogen wird[1].“

Aber auch Paul von Hintze, der 1915-17 der deutsche Gesandte in Peking gewesen war, schreibt Anfang 1920 an den Unterstaatssekretär v.Haniel und empfiehlt ebenfalls Cordes für eine Verwendung im auswärtigen Dienst für China. Dieser wird  daraufhin am 13.1.1920 zu einer Besprechung in das AA eingeladen. Letztendlich wurde aus seiner Berufung nichts, da die Regierung in Peking über ihren Gesandten in Kopenhagen mitteilen ließ, dass Cordes kein Einreisevisum für China erhalten würde – was das AA sicherlich mit Erleichterung zur Kenntnis nahm. Wenige Wochen später hat ein nicht genannter „Vertrauensmann“ sich ebenfalls  ablehnend geäußert. Knipping hat über dieses Gespräch am 20.2.1920 ein maschinen-schriftliches Protokoll angefertigt, das folgendermaßen lautet: „Ein Vertrauensmann gab hier über die Pekinger Tätigkeit von Herrn Cordes einige Einzelheiten. Bekanntlich habe Cordes Stärke in seinen Beziehungen zu Chang Chih-tung (Zhang Zhi-dong, + 1909) und seinen Anhängern bestanden. Nachdem diese aber von der Bildfläche verschwun-den seien, habe es Cordes nicht verstanden, sich in neue Kreise hineinzufinden. In dem Bestreben, neue Beziehungen anzuknüpfen, habe er eine bemerkenswerte Unsicherheit und Ungeschicklichkeit bewiesen. Bekannt und vielfach auch in der Presse besprochen, seien die Beziehungen zu dem früheren Finanzminister Ch’en Chin-t’ao (Chen Jin-tao). An diesen seien Unsummen gezahlt worden, während man nach Vorbildung und Denkart des Betreffenden wissen mußte, dass er in den Händen der Entente war. Die bekannte Veröffentlichung des Samuel G. Blythe in der „Saturday Evening Post“ gibt eine Charakteristik des Ch’en, die beweist, dass Ch’en gerade der erste war, der den Bruch zwischen Deutschland und China propagierte. Der Gesandte von Hintze wie Herr Cordes seien dabei rechtzeitig vor dem betreffenden Finanzminister gewarnt worden, hätten aber die Warnung unbeachtet gelassen[2]. Auch an andere Chinesen, besonders an einen gewissen Dr. Lin, seien auf Veranlassung von Cordes große Summen gezahlt worden.

Der schlimmste Mißgriff sei aber gewesen, dass Cordes die Beeinflussung der beiden chinesischen Parlamente mit der Begründung abgelehnt habe, Mittel dafür stünden nicht zur Verfügung. Diese Begründung sei aber nicht einmal richtig gewesen. Durch einen nahen  Verwandten des chinesischen Präsidenten (Li Yüan-hung) sei nämlich die Gesandtschaft seiner Zeit indirekt informiert worden, dass das Unterhaus durch eine Zahlung von 1 Mill. $ gewonnen werden könne, (….) und dass das Oberhaus mit einer halben Million zu gewinnen sei. In beiden Fällen sei, wie gesagt, die Bearbeitung dieser Möglichkeiten durch den Widerspruch von Cordes glatt vereitelt worden. Dem gegenüber seien Unsummen für Geschenke von Gold- und Silbersachen an Chinesen und Chinesinnen gegeben worden: Der Gesamtbetrag soll anderthalb Millionen überschreiten, also eine Summe, für die die beiden Parlamente zu gewinnen gewesen wären.“

Diesem Protokoll fügt Knipping noch eine Notiz an: „Um diesen streng vertraulichen Mitteilungen nachzugehen, wäre es erforderlich, den ehemaligen Gesandten Paul von Hintze, vielleicht auch Herrn von Maltzan zu hören. Die Höhe der an Ch’en Chin-t’ao gezahlten Summe wird nach anderen Angaben auf rund 10 Mill. $ geschätzt.“

Ago Freiherr von Maltzan war von 1912-17 Erster Legationssekretär der Gesandtschaft in Peking. Die Auslassungen dieses anonymen „Vertrauensmannes“ darf  man nicht kommen-tarlos stehen lassen. Der Autor ist „Partei“. Er gehört offensichtlich zu der Gruppe der damaligen deutschen Chinaexperten, die sich der nachträglichen Illusion hingaben, der Kriegseintritt Chinas 1917 “hätte“ vermieden werden können, wenn man die „richtigen“ Leute mit finanziellen Mitteln gewonnen hätte. Diese These ist  unrealistisch. Was hätte es denn genutzt, im Frühjahr 1917 den Präsidenten Li Yüan-hung und das Parlament durch finanzielle Zuwendungen gewonnen zu haben? Im Herbst gewann  Ministerpräsident Tuan Ch’i-jui (Duan Qi-rui) den Machtkampf,  Präsident Li wurde abgesetzt, das Parlament aufgelöst, und Tuan konnte mit dem neu zusammengesetzten und willfährigen Parlament die Kriegserklärung an Deutschland durchsetzen.

Immerhin bieten die „vertraulichen Mitteilungen“ dieses Anonymus einen interessanten Einblick in die Art und Weise, wie die ausländischen Mächte in Peking die chinesischen Politiker regelrecht „kaufen“ konnten.  Dies wird bestätigt durch den Bericht des Admirals Paul von Hintze, der von 1915 bis zum 14.  März 1917 der deutsche Gesandte in Peking war. Nach seiner Rückkunft aus China wurde er Gesandter in Oslo. Dort verfasste er am 3.7.1917 für das AA einen langen Bericht über die letzten Monate in Peking und die vergeblichen Bemühungen, die chinesische Regierung und die Parlamentarier davon abzubringen, die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abzubrechen. Immer wenn von Hintze Geld anbot konnten die Feindmächte im Gegenzug viel höhere Geldmengen zahlen. Hintze schreibt:“In der Nacht vom 1. zum 2. März 1917 ließ ich dem Ministerpräsidenten Tuan Ch’i-jui 1 Mill. $ anbieten. Er antwortete lächelnd, dass dieses Angebot schon überboten wäre. … Während des 5. und 6. März besticht die Entente die Parlaments Mitglieder und andere einflussreiche Personen; Gesamtsumme 13 Mill. $, gleiche Summe als Prämie am Tage des Abbruchs der Beziehungen zu Deutschland versprochen. Ich kann kein Geld mehr auftreiben; die deutschen Kaufleute, die ich angehe, lehnen ab, weil sie ihre Fonds zu günstigen Kursen nach Deutschland remittirt hätten; ich gebe gleich wohl meine letzten 100000 $ hin.“

Dieser Text zeigt deutlich, dass die obige Behauptung des „Anonymus“, das chinesische Parlament habe mit 1 Mill. $ für Deutschland gewonnen werden können, total irrig ist.

Hintzes Bericht ist abgedruckt in dem Buch: Paul von Hintze. Hrsgb. J. Hörter. München 1998, Seite 385-91.

Cordes Frau war nach 1919 in Peking geblieben. Er war seit dem Spätherbst 1924 noch zwei- oder dreimal zu Besuch in Peking.  Am 5.7.1927 ist er an Speiseröhren- und Magenkrebs in Breslau gestorben, wo er auch begraben wurde.

Yuksin Cordes, geb. Chou, wurde am 11.02.1881 in Canton geboren. Offizielle Heirat am 10.08.1914.   Sie starb  am 18.06.1934 in Peking.

Quelle:  Personalakte des Heinrich Cordes im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin. 

Mitteilungen von Frau Sybille Krägel, geb. Rasmussen.

9 Kinder von Heinrich und Yuksin Cordes:

1. Adelheid (Heidi), * 24.10. 1898 in Shanghai, + 29.6.1994. Verheiratet mit Werner Fuess

2. Antonia (Toni), * 18.10.1902 in Hankou,  + 10.4.1992. Dr.med. am 31.1.1933,  1933    Assistenzärztin an den  Universitätskliniken in Jena, später Ärztin in Apolda, unverheiratet.

3. Charlotte (Lotte), * 24.1.1905 in Canton, + 9.10.1993. Verheiratet mit Paul Wilm,  Kaufmann in China

4. Karl (Karli), * 10.3.1906 in Tientsin, Ingenieur, + 28.7.1985. Verheiratet mit Violetta (Lola)

5. Klara (Clärchen), * 22.10.1907 in Tientsin, + 4.8.1985. Besuchte Gymnastikschule, verh. mit Hans-Werner Rasmussen

6. Ernst, * 16.10.1908 in Tientsin, Schriftsteller und Journalist, + 17.11.1983. Verh. mit Anne Marie Gräfin von Doblhof

7. Bernhard, * 16.8.1910 in Peking, Gärtner, + 21.9.1996

8. Dora, * 15.7.1912 in Peking, Kindergärtnerin, + 1945

9. Friedrich, * 22.1.1914 in Peking, Kaufmann, + 23.12. 1995. Verh. mit Ursel N.N.

[1] Der Militärgouverneur Chang Hsün (Zhang Xun) startete am 1.7.1917 eine Restauration der Mandschu-Dynastie, doch scheiterte dieser Versuch nach 14  Tagen. Der erwähnte Liang Tun-yen (Liang Dunyan) war als Außenminister in der neuen Regierung vorgesehen. Cordes kannte Liang spätestens seit 1907, da dieser als damaliger Vize-Außenminister die Verhandlungen zum Bau der Tientsin-Pukou-Bahn zum Abschluß brachte. Der Anleihevertrag für diese Bahn trägt die Unterschriften von Liang Tun-yen, Cordes und Bland.

[2]  Ch’en Chin-t’ao (Chen Jintao) hatte in den 1880er Jahren als einer der ersten Chinesen in den USA studiert, muß also zu den Anglophilen gerechnet werden. Er galt bis 1917 als der führende Finanzexperte Chinas. Auf die Kriegserklärung gegen Deutschland im Herbst 1917 konnte er keinen Einfluß nehmen, denn er wurde im Mai 1917 wegen Unterschlagungen verhaftet und saß mehrere Jahre im Gefängnis.