Michaelis, Hermann (1836 – 1920), Bergwerksdirektor

             Hermann Michaelis wurde am 9.10.1836 in Salzwedel geboren als Sohn des Lohgerbers und Bürgers der Altstadt J.C. Wilhelm Michaelis und der Marie Köthke. Sein ältester Bruder übernahm den väterlichen Betrieb, deswegen musste er einen anderen Beruf ergreifen. Über seinen Lebenslauf liegen nur ganz wenige Daten vor. Auf jeden Fall ließ er sich zum Ingenieur ausbilden, vielleicht mit dem Schwerpunkt Bergbauwissenschaft und Geologie.

Dem scheint zu widersprechen, dass er 1872 der technische Direktor des in demselben Jahre von einer Aktiengesellschaft gegründeten Braunschweiger Walzwerkes wurde. Der Firma war kein Erfolg beschieden, im März 1875 ging sie bereits in Liquidation.

Im Jahre 1878 kam Bernhard Telge, der in China als Import-Export-Kaufmann tätig war, auf einen Urlaub nach Deutschland und hatte u.a. den Plan, in China nach Kohle und Boden-schätzen recherchieren zu lassen. Offensichtlich kam Telge auch im Auftrag des General-gouverneurs der Provinzen Schaanxi und Gansu, Tse Tsung Dang, der wohl einen dies-bezüglichen Ingenieur gewünscht hatte. Auf jeden Fall gewann B.Telge den Hermann Michaelis, dieser war immerhin bereits 42 Jahre alt, für diese Tätigkeit. Es liegt eine Kopie des mehrseitigen Vertrags vor, den B.Telge und H.Michaelis am 25.9.1878 in Hamburg unterschrieben. Da es sich m.E. um ein interessantes Zeitdokument handelt, soll der volle Wortlaut hier gebracht werden, obwohl die Handschrift sehr schwer zu lesen war.

Vertrag vom 25.9.1878

 Zwischen Herrn B. Telge in Hamburg und Shanghai einerseits und Herrn H. Michaelis aus Salzwedel andererseits ist am heutigen Tage nachstehende Vereinbarung getroffen worden.

                                                          § 1

Herr Michaelis verpflichtet sich, im Auftrage und für Rechnung des Herrn Telge von Deutschland nach Shanghai und von dort mit einem mit den dortigen Sitten und Gebräuchen bekannten und vertrauten Geschäftsbevollmächtigten des Herrn Telge nach der Provinz Kangsuh (Gansu) (Hauptstadt Lantschau = Lanzhou) zu reisen und für etwaige Reisen von da nach anderen nördlichen Provinzen Chinas nicht ausgeschlossen.

                                                          § 2

Herr Michaelis soll daselbst seine Thätigkeit dem Berg und Hüttenfach widmen und die zur Ausführung und Ausbeutung etwa vorhandener Bergwerkproducte nöthigen Arbeiten vornehmen, das Abbohren gefundener Flötze leiten, geognostische Karten entwerfen, Analysen der gefundenen Producte machen und falls vorhandene oder neu anzulegende Bergwerke ausgebeutet werden sollen, die nöthigen Angaben über Maschinen Beschaffung in so eingehender Weise nach hier übermitteln, daß danach die betreffenden Bestellungen ausgeführt werden können. Sollte sich außer im Berg und Hüttenfach noch an anderen industriellen Unternehmungen Gelegenheit finden die Kenntnisse des Herrn Michaelis zu verwerthen, so soll derselbe diesen Unternehmungen mit seinem Rath zur Seite stehen und die etwa nöthigen Vorarbeiten machen.

                                                          § 3  

Herr Michaelis verpflichtet sich, seine ganze Thätigkeit im Interesse des Herrn Telge zu verwerthen und Niemand außer an diesen Kenntniß von den in China gemachten Geschäften zu geben, die etwa dort gemachten Entdeckungen, geognostische Karten oder Mittheilungen über den Zustand des Landes nur mit Einwilligung des Herrn Telge dritten Personen mitzutheilen oder zu veröffentlichen. Alle etwa zu bestellenden Maschinen und Apparate werden ausschließlich durch Herrn Telge beschafft, und hat Herr Michaelis die ihm etwa bekannten oder bekannt werdenden Zeichnungen und Bezugsquellen durchaus geheim zu halten, Herrn Telge oder dessen Vertreter aber alle Auskunft zu ertheilen. Es soll dem Herrn Michaelis nur mit directer Zustimmung des Herrn Telge gestattet sein, Privatgeschäfte zu betreiben, jedoch wird Herr Telge, insoweit seine  Interessen nicht geschädigt werden, dem Herrn Michaelis gestatten, wissenschaftliche Forschungen in China zu machen.

                                                           § 4

                     Dieser Vertrag soll zunächst auf ein Jahr, vom Tage der Abreise hier gerechnet, abgeschlossen werden, findet sich jedoch in China ein Feld der Thätigkeit für Herrn Michaelis, so soll auf Verlangen des Herrn Telge oder dessen Bevollmächtigten der Vertrag je  nach Wunsch des Herrn Telge bis auf fernere drei Jahre verlängert werden. Herrn Telge bleibt es überlassen, diesen Vertrag auf den Vicekönig Tse Tsung Dang oder die chinesische Regierung zu übertragen, falls dieselben Herrn Michaelis die gleichen oder günstigere Bedingungen erstellen und dieselben Sicherheiten bieten. Herr Telge wird dann nach besten Kräften bemüht sein, die Interessen des Herrn Michaelis wahrzunehmen und soll es demselben zustehen, seine Forderungen in Betreff des Gehalts zu stellen. Es wird in diesem Falle der Vertrag vor dem deutschen Generalkonsul durch Vollmacht verificiert und ist dann Herr Telge seinen Verbindlichkeiten informel überhoben, als es Herrn Michaelis nur für alle Fälle die Kosten der Rückreise vorzustrecken guarantiert, falls Herr Michaelis dieses wünschen sollte. Für etwaige sonstige Forderungen, die Herr Michaelis an die chinesische Regierung haben sollte, kommt er aber nicht auf. 

                                                     § 5

Herr Michaelis erhält von Herrn Telge bei …?.  Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen einen Jahresgehalt von M 16000.- (Sechzehn Tausend Mark) und zwar wird dieses Gehalt dem Herrn Michaelis auch dann zugesichert, wenn durch irgendwelche Verhältnisse ohne Verschulden Herrn Michaelis dessen Rückkehr nach hier früher als vorm Ablauf eines Jahres erfolgen sollte. Erfolgt die Rückreise nach hier später als nach Ablauf eines Jahres vom Tage der Abreise von hier gerechnet, so vergütet Herr Telge das angefangene Vierteljahr voll. Das Gehalt wird praesumerande gezahlt und zwar erhält Herr Michaelis bei Abreise von hier M 8000.- und dann …?. bei Erfüllung des Contracts seitens Herrn Michaelis entweder von dem Geschäft des Herrn B. Telge in Shanghai oder auf dessen Anweisung in Europa. Außerdem erhält Herr Michaelis freie Auslage von hier nach Shanghai mit einem englischen Dampfer I Cajüte und von Shanghai nach der Provinz Kangsuh (Gansu) mit der besten Reisegelegenheit. Ebenso zahlt Herr Telge die Kosten der Rückreise von China bis hierher, sowie alle im Inneren von China im Interesse des Geschäfts gemachten Reisen, erstere jedoch nur, wenn der Contract nicht auf den Vicekönig Tse Tsung Dang oder die chinesische Regierung übertragen wird. Die Dauer des Engagements wird vom Tage der Ausreise hier bis zum Tage des Wiedereintreffens hier gerechnet. Etwaiger freiwilliger Aufenthalt auf der Rückreise wird nicht vergütet und ist ein freiwilliger Aufenthalt auf der Hinreise nicht gestattet.
          Bei seinem Aufenthalt in China hat Herr Michaelis Anspruch auf freie Wohnung und erhält freie Verpflegung, soweit diese den Landesverhältnissen entsprechend zu beschaffen geht. Alle an Herrn Michaelis für seine persönlichen Bedürfnisse etwa von Shanghai nach dem Inneren bezogenen Sendungen werden demselben kostenfrei bis Lantschau (Lanzhou) oder seinem sonstigen Aufenthaltsort besorgt.

                                                              § 6

Nach Ablauf dieses Vertrages oder des etwa mit dem Vicekönig Tse Tsung Dang oder der chinesischen Regierung geschlossenen Vertrages soll Herr Michaelis, ..?.. ob er früher zurückkehrt oder in China verbleibt, während dem Jahre verpflichtet sein, seine in China gemachten Erfahrungen oder angeknüpften Geschäftsverbindungen ausschließlich nur im Interesse des Herrn Telge zu verwerthen, niemals selbst oder durch Andere in oder nach China zu betreiben, welche dem Herrn Telge Konkurrenz machen könnten, vielmehr gehalten sein, auch dann noch Geschäfte von oder nach China nur durch Vermittlung des Herrn Telge zu unternehmen.

So geschehen zu Hamburg und in derselb ausgefertigt und unterschriftlich vollzogen am 25. September 1878.

              H. Michaelis                                      B.Telge

 Der Hamburger Notar Dr. G. Bartels attestiert, Zeuge des Unterschreibens des Vertrages durch die 2 Partner gewesen zu sein. Er nennt ihre Namen:

„Herr Carl Bernhard Hermann Telge, alleiniger Inhaber des hieselbst und in Shanghai unter der Firma B. Telge comercilierenden Handlungs Hauses, und Herr Hermann Michaelis, Ingenieur aus Salzwedel, zur Zeit hieselbst anwesend, ….

Michaelis hat dann 1888 über seinen Aufenthalt in China 1879 bis 1881 ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: “Von Hankau nach Sutschau”, es erschien als Ergänzungsheft Nr. 91 zu Petermanns Mitteilungen, im Justus Perthes Verlag in Gotha. Bei dem Ort “Sutschau” handelt es sich nicht um das berühmte Sutschou (Suzhou) in der Provinz Jiangsu, westlich von Shanghai, sondern um die westlichste Stadt in der Provinz Gansu, an der Seidenstraße gelegen, die heute den Namen Jiayuguan hat. Der Text des Buches (58 Seiten) enthält eine Beschreibung all seiner Beobachtungen längs der Route, der er vom 1. Januar bis April 1879 gefolgt ist. Am 1.1.1879 fuhr er mit dem Schiff von Shanghai bis Hankou, von dort dann mit dem Schiff den Han-Fluss aufwärts durch die Provinz Hubei, querte den Qin Ling Shan, kam ins Wei Tal nach Xi’an, von dort über das Loess Plateau nach Lanzhou am Gelben Fluss. Dann auf der Seidenstrasse weiter nach Jiayuguan, wo er mit dem Generalgouverneur Tse Tsung Dang zusammentraf. Von diesem wurde er angestellt, die Route, die Michaelis von Hankou bis Sutschou (Jiayuguan) zurückgelegt hatte, es waren rund 3500 km, im Maßstab 1:100000 zu vermessen bezüglich der Straßen, der Flussübergänge und Brücken und lohnenswerter Bodenschätze. In den Jahren 1879 bis 1881 hat Ingenieur Michaelis diese Aufgabe ausgeführt. Im Jahre 1888 erschien dann das oben bereits genannte Buch mit der kartographischen Darstellung dieser Route, aufgeteilt auf 3 Karten, mit der Reduktion des Original-Maßstabes 1:100000 auf 1:1 Million.  In dem Buch wird der Name des Generalgouverneurs so geschrieben: Zo Zung Tang.

Als das Deutsche Reich am 6.3.1898 das Kiautschou-Gebiet pachtete, war in dem Vertrag auch vorgesehen, dass die Deutschen von Tsingtau bis zur Provinzhauptstadt Tsinanfu eine Bahn bauen durften, und in einer Zone von 15 km rechts und links der Eisenbahnlinie wurden ihnen Schürfrechte zugestanden. Dementsprechend wurde im Jahre 1899 sowohl die Schantung-Eisenbahn- als auch die Schantung-Bergbau-Gesellschaft gegründet. Die Letztere gewann Hermann Michaelis als Bergwerksdirektor vor Ort, der seinen Arbeits- und Wohnsitz 1899 in Tsingtau aufschlug. Er wohnte zunächst im Westflügel des sog. Anzerhauses, das die kathol. Steyler Missionsgesellschaft 1899 als Miethaus errichtet hatte (in der Hunan Straße). 1900 ließ er dann am Kaiser-Wilhelm-Ufer, an der Ecke zur Bismarckstraße, das Direktionshaus der Bergbau-Gesellschaft bauen. Beide Gebäude stehen auch heute noch. Sein Nachfolger in Tsingtau war Dr. Max Brücher (siehe unter “Biographien”).

Als im Oktober 1902 der erste Schacht in Fangtse abgeteuft wurde, erhielt Michaelis vom deutschen Kaiser den Königlichen Kronenorden 3. Klasse.

Im April 1904 beendete Michaelis seine Tätigkeit in Tsingtau. Er war nun 68 Jahre alt und ließ sich in Koblenz als Pensionär nieder. Dort ist er mit 84 Jahren am 15.02.1920 gestorben.