Othmer, Dr. phil. Wilhelm (1882 – 1934), Oberlehrer an DCH

* 16.12.1882 in Uthwerdum, Kr. Aurich. Besuch des humanistischen Gymnasiums in Norden, dort Abitur 1900. Studierte Alte Geschichte, Geographie und Griechisch in Greifswald und Berlin. Promovierte 1904 in Berlin bei W. Sieglin, Prof. für Historische Geographie. Hatte auch Vorlesungen und Übungen bei Prof. Ferdinand von Richthofen besucht, der ihm geraten haben soll, unbedingt Chinesisch zu lernen. In den Jahren 1904-06 bereitete er sich auf das Staatsexamen vor und leistete seine Militärdienstpflicht ab. 1907 suchte das Auswärtige Amt einen Kandidaten, der die während der Boxerunruhen in Peking gegründete deutsche Schule für Chinesen betreuen könnte. Die Wahl fiel auf Othmer, der zunächst noch einige Monate am SOS Chinesisch lernte, bis er Ende 1907 in Peking eintraf. Neben seiner Lehr- und Verwaltungstätigkeit lernte er weiterhin die chinesische Sprache. Es stellte sich aber heraus, daß die Schule nicht zu halten war. So wechselte er 1909 an die Deutsch-Chinesische Mittelschule in Tientsin, war aber dort nur ein paar Monate, denn er erhielt einen Ruf nach Tsingtau an die am 25.10.1909 eröffnete Deutsch-Chinesische Hochschule, deren Vorbereitungsanstalt er bis 1914 leitete. Diese war quasi ein Gymnasium oder Mittelschule, auf der die chinesischen Schüler hauptsächlich Deutsch lernen mußten, damit sie später die auf Deutsch gehaltenen Vorlesungen und Übungen an der Hochschule verstehen konnten.
Die deutsche Kaufmannschaft in Tsingtau regte an, Kurse in der chinesischen Schriftsprache für Deutsche einzurichten. Othmer und Ferdinand Lessing, der an der Übersetzungsanstalt der Hochschule tätig war, führten diese Kurse durch. Zu diesem Zwecke erarbeiteten sie eine neue, deutschen Lauten angepaßte Umschreibung der chinesischen Worte, benutzten also nicht mehr die britische Wade-Giles Umschrift. Die von Stunde zu Stunde angefertigten Lektionen wuchsen im Laufe der Zeit zum ersten Teil des Buches „Lehrgang der nordchinesischen Umgangssprache von Dr. Ferdinand Lessing und Dr. Wilhelm Othmer“ zusammen. Othmer fertigte auch eine englische Übersetzung dieses Bandes an. Der geplante zweite und dritte Band ist, wegen des Krieges, nicht mehr erschienen.

Während der Belagerung Tsingtaus wurde Othmer zum Kriegsdienst eingezogen und mußte dementsprechend von 1914-20 die japanische Kriegsgefangenschaft erdulden. Im Gefangenenlager richtete er für die Mitgefangenen Studienkurse ein, besonders solche für chinesische und japanische Sprache. Die letztere lernte er selbst nun mit großem Eifer. Othmers Frau Elisabeth, die er 1911 geheiratet hatte, blieb mit den 2 Söhnen in Tsingtau. Als er im Frühjahr 1920 dorthin zurückkehrte, war sie bereits unrettbar krank und verschied im Herbst. Er hat dann noch die jüngere Schwester seiner ersten Frau geheiratet. Othmer kehrte nicht nach Deutschland zurück, da er einen Ruf nach Wusung an die Staatliche Chinesische Tungchi-Universität erhielt. Er bekam den Titel „Professor“ verliehen. Wieder hat er hier, wie schon in Tsingtau, die Vorbereitungsschule geleitet, von 1920 bis 1933. Der jährliche Sommerurlaub wurde mit Frau und den 4 Kindern immer in Tsingtau verbracht. Wegen einer schweren Erkrankung mußte Othmer im Oktober 1933 nach Deutschland zurückkehren, wo er am 14. Nov. eintraf. Am 7.1.1934 ist er in Göttingen gestorben, 51 Jahre alt.

Othmer hatte am 17.5.1911 in Tsingtau die Krankenschwester Elisabeth Buri, Tochter eines Hoteliers in Donaueschingen, geheiratet. Er war 28, sie 37 Jahre alt. Sie war am 28.3.1874 in Donaueschingen geboren worden. Aus dieser Ehe stammen die Söhne Gerhard (* 1912, später Oberstudienrat, + 1996) und Wilhelm (* 1914-1986). Während der japanischen Besatzungszeit blieb sie in Tsingtau. Sie starb dort am 6.8. 1920. Othmer heiratete 1922 die Schwester seiner ersten Frau, Maria Buri (1892-1971). Aus der zweiten Ehe entstammen Carsten (* 1923, Apotheker) und Gudrun (* 1926, verh. mit Dr. med. Siegfried Naumann).

(Es erschienen mehrere Nachrufe, so von Ferdinand Lessing und Richard Bergemann in der Ostasiatischen Rundschau, von Hellmut Wilhelm in: Aus deutschem Geistesleben, Peking 1944. In Nanjing erschien 1934 auf Chinesisch eine umfangreiche Gedenkschrift mit Nachrufen mehrerer Dutzend führender Politiker und Wissenschaftler, darunter der chinesische Staatspräsident, der Ministerpräsident, Cai Yuanpei, Sun Fo usw. usw.

Ich selbst war 1981 mit drei Othmer „Kindern“ zusammen in Tsingtau, nämlich Gerhard, Carsten und Gudrun. Von ihnen erhielt ich auch einige Informationen zur Biographie ihres Vaters, die ich mir damals aufgeschrieben habe.)