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Roehr, Victor, Kaufmann und Redakteur

Victor Roehr, Kaufmann und Redakteur, war 1900 bis 1907 in Tsingtau

Victor Roehr kam mit seiner Frau im Jahre 1900 nach Tsingtau als Geschäftsführer der Schantung-Handels-Gesellschaft m.b.H. (Import, Export, Commission). Im Tsingtauer Handelsregister war die Firma unter der Nummer 47 eingetragen. Sie war nicht erfolgreich, und die Generalversammlung beschloss am 15.3.1902 die Auflösung der Firma. Als Liquidator wurde der bisherige Geschäftsführer Victor Roehr bestimmt, der am 1.9.1902 durch Arnold Berg abgelöst wurde. Roehr musste sich eine neue Beschäftigung suchen.

Seit dem 1.4.1901 hatte die Deutsche Druckerei und Verlagsanstalt die Herausgabe der Wochenzeitung „Deutsch-Asiatische Warte“ übernommen und Otto Corbach zum verantwortlichen Redakteur bestellt. Roehr kaufte am 1.5.1903 diese Firma, wobei er sie umtaufte in „Deutsch-Chinesische Druckerei und Verlagsanstalt“.

Vom 1.6.1903 bis 31.12.1904 war Roehr dann auch der Herausgeber und verantwortliche Redakteur der Wochenzeitung, die mit dem 31.12.1904 ihr Erscheinen einstellte. Sie erlag der neu gegründeten Tageszeitung „Tsingtauer Neueste Nachrichten“, die seit dem 1.11. 1904 erschien. Roehr verkaufte Ende 1907 oder Anfang 1908 die Druckerei und Verlagsanstalt an den Shanghaier Kaufmann Gottfried Werner und verließ Tsingtau.

Otto Corbach, der vom 1.4.1901 bis 4.10.1902 der Redakteur der Wochenzeitung „Deutsch-Asiatische-Warte“ gewesen war und entlassen worden war, als er in einem Artikel die Bauverwaltung kritisiert hatte, veröffentlichte in der „Kolonialen Zeitschrift“, 4. Jhg., 1903, S. 321 einige kritische Bemerkungen über Roehr: „Die DAW ist auf ihren Lorbeeren eingeschlafen. Die Zeiten, wo sie noch eine Macht war und ein böses Gewissen für die Lenker und Leiter des Schicksals der Kolonie bedeutete, scheinen für immer vorbei zu sein. Jetzt werden ihre Spalten gefüllt mit einem bric-à-brac kraft- und saftloser Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten, nur nicht mit Mitteilungen oder Erörterungen, die die Kolonie betreffen und für sie von Bedeutung sind. …. Herr Victor Roehr, der fünfte Redakteur des 5 Jahre bestehenden Blattes, ist ein Mann, der in Tsingtau nie so recht ernst genommen worden ist. Er hat es verstanden, anderthalb Jahre Direktor einer Gesellschaft m.b.H. zu sein ohne Geschäfte zu machen, die der Rede wert gewesen wären und deren Gewinn mehr wie einen ganz minimalen Prozentsatz seines Gehaltes betragen hatte, so dass sich die Gesellschaft genötigt sah, zu liquidieren. Der Direktor, der mit dem Munde seine ganze Konkurrenz tot machen wollte, verfiel allgemeinem Gespött. Aus Langeweile und Verlegenheit ist der Exdirektor, nachdem er lange Zeit vergeblich seine Fühlhörner nach einem neuen Pöstchen in der ostasiatischen Geschäftswelt ausgestreckt hatte, Redakteur und Verleger der DAW geworden. Arme Deutsch-Asiatische-Warte !“

Corbach, Otto (1877 – 1938), Journalist und Publizist

* 8.4.1877 in Herscheid i.W., als Sohn des Bauunternehmers Wilhelm Corbach und der Karoline, geb. Alberts. Er besuchte eine höhere Privatschule. Kam 1900 nach Tsingtau, war Buchhalter in einer Firma, wahrscheinlich bei Kappler & Sohn, denn er wohnte 1900/01 im Kappler’schen Hause. In Anzeigen bot er an, Stenographie Unterricht zu geben. Vom 1.4.1901 bis 4.10.1902 war er verantwortlicher Redakteur des Tsingtauer Wochenblattes  „Deutsch-Asiatische Warte“.  Er wurde entlassen, weil er in einem Artikel vom 20.9.1902 die Bauabteilung des Gouvernements attackiert hatte. Wegen Beleidigung von Beamten des Schutzgebietes verurteilte der Oberrichter Wilke ihn am 10.11.1902 zu 150.- Mark oder 15 Tage Haft. Corbach ging daraufhin nach Deutschland zurück und wurde Redakteur von Zeitungen in Kassel, dann in Breslau. Ab 1906 war er freier Schriftsteller in Berlin. Bis 1912/13 kritisierte er immer wieder mal in verschiedenen Aufsätzen das Tsingtauer Gouvernement, vor allem Gouverneur Truppel war ihm der Intimfeind.

 Es ist nicht bekannt ob Corbach im 1. Weltkrieg Militärdienste leisten musste. Die aufregendste Episode in seinem Leben war sicherlich sein Aufenthalt 1918-21 in Odessa und Umland während des russischen Bürgerkrieges. Die südliche Ukraine war vom Beginn des 19. Jhdts. an seitens der russischen Regierung besiedelt worden, nicht nur durch russische, sondern auch durch deutsche, griechische, jüdische u.a. Siedler. Nordwestlich von Odessa befand sich ein größeres Siedlungsgebiet der sog. Schwarzmeerdeutschen. Einer von ihnen, der allerdings inzwischen in Deutschland weilte, war Eigentümer der deutsch-sprachigen Odessaer Zeitung. Er beauftragte Corbach, sie zu einer modernen Zeitung auszugestalten. Ende September 1918 traf dieser in Odessa ein, nebenbei auch als Berichterstatter einiger reichsdeutscher Zeitungen.  Das Gebiet war seit März 1918 von österreichischen Truppen besetzt, die allerdings wegen des Kriegsendes im Dezember 1918 sich zurückzogen. Daraufhin besetzten französische und andere Truppen der Entente die Stadt, die aber nach einer verlorenen Schlacht gegenüber den Sowjets Anfang April 1919 ebenfalls das Feld räumten, woraufhin die Bolschewiki die Stadt besetzten. Diese wurden aber von General Denikin, dem Führer der sog. Freiwilligen Armee oder Weißen Armee vertrieben. Der konnte sich aber nur bis Ende 1919 halten und ab Februar 1920 war Odessa und Hinterland endgültig Teil der sowjetischen Urkrainischen SSR.

 In Odessa hatte es von jeher eine Kommission der Schwarzmeerdeutschen gegeben, welche ihre Interessen gegenüber der Regionsverwaltung zu vertreten hatte. Da Corbachs Redaktionstätigkeit schon nach ein paar Monaten zum Erliegen gekommen war, arbeitete er nun in dieser Kommission mit und erlebte so hautnah den ständigen Wechsel der Machthaber mit, bis im Februar 1920 die Bolschewiki siegten. Corbach zog sich daraufhin in das Dorf Neufreudental zurück, wo er als Lehrer an der dortigen Dorfschule tätig wurde, zusammen mit 7 Schwarzmeerdeutschen. Es gab Meinungsverschiedenheiten über die „richtige“ Art der Erziehung, und so schloss sich Corbach Ende Oktober 1921 einem Heimtransport deutscher Zivil- und Kriegsgefangener an, der unterwegs 5 Wochen in Noworossijsk liegen blieb.

 Zwei Jahre später veröffentlichte er seine Erfahrungen unter dem Titel:  „Moskau als Erzieher. Erlebnisse und Einsichten aus Sowjet-Rußland.“ Leipzig 1923. 100 Seiten.  Es erschien als Heft 17 der Reihe: „Entschiedene Schulreform“, herausgeben von Prof. Paul Oestreich, damals einer der führenden Reformpädagogen. Wie bekannt, wurde in den 1920iger Jahren heftig um eine Schul- und Bildungsreform gestritten und die unterschied-lichsten Schulmodelle wurden ausprobiert. Corbach war von seiner Ausbildung her kein Pädagoge, aber er wollte wohl das „revolutionäre“ sowjetische Schulmodell in Deutschland zur Diskussion stellen.

Am 3.4.1926 heiratete er Else Sadowski. 1928 war seine Adresse: Berlin-Steglitz, Steinstr. 57. 1932 publizierte er bei Rowolt den Sammelband: „Offene Welt“, Berlin 1932, 352 Seiten. In demselben Jahr erschien auch eine italienische Übersetzung.  1935 war die Adresse: Berlin-Wilmersdorf, Kreuznacherstr. 36a. An der Wende von 1938 zu 1939 ist Corbach gestorben.