Johann Heinrich Friedrich Schubart wurde am 19. September 1878 als Sohn des Fabrikanten J. Friedrich C. Schubart in Hannover geboren. Seine Mutter war Wilhelmine Dorothea, geb. Wallheinecke. An der Technischen Hochschule Hannover studierte er ab 1898 Architektur, im November 1902 legte er dort die 1. Staatshauptprüfung ab und trat am 3.12.1902 beim Regierungspräsidenten in Hannover den Dienst an. Nach der 2. Staatshauptprüfung im Hochbaufach in Berlin wurde Heinrich Schubart am 17.11.1906 zum Regierungs-Baumeister ernannt.
Schon während seiner ersten Anstellung in Duisburg (Bauleitung für das Landfermann-Gymnasium) bewarb er sich für einen Tsingtau-Aufenthalt beim Reichsmarineamt und wurde vom Staatsdienst beurlaubt. Am 12.03.1907 reiste er über Genua mit dem Dampfer „Prinz Eitel Friedrich“ nach Tsingtau aus. Angestellt bei der Gouvernementsverwaltung war sein Vorgesetzter in der Hochbauabteilung (III) Karl Strasser. Zur Bauabteilung III c gehörig, befand sich sein Amtszimmer im rechten Flügel im II. Obergeschoss, Zimmer 15. Gustav Blaich, sein Vorgänger im Amt, arbeitete bis in das Jahr 1908 in der Abteilung III b. Zunächst wohnte Heinrich Schubart bei G. Blaich im Wohnhaus von Bischof Anzer im Erdgeschoß in der Irenestraße an der Ecke zur Bismarckstraße (6 Hunan Road/Jiangsu Road). Vom Fenster aus sah er den Alten Tempel und die Evangelische Kapelle. Vom Februar 1908 an wohnte er in der Prinz-Heinrich-Straße (33 Guangxi Road) im Haus von Apotheker Larz. Sehr bald fand sich wohl ein Freundeskreis, und H. Schubart bekam wie alle Neuankömmlinge einen neuen Namen: Schu-ba-dse. Das heißt in etwa: „Gelassen breitet er die Tugend aus.“
Mit mehr als zweihundert Fotos hat Heinrich Schubart seine Arbeit und seine Unternehmungen dokumentiert. Auf der Rückseite hat er jeweils ausführlich die Motive, viele Personennamen und seine persönlichen Eindrücke aufgelistet. Die ersten Bilder vom 2. und 3. Mai 1907 zeigen den Besuch von Gouverneur Yang, seine Ankunft am Bahnhof, den Besuch im Gouverneurs-Wohnhaus und die Werftbesichtigung – fünfhundert chinesische Lehrlinge standen Spalier. Am 3. Mai übergibt er mit Gustav Blaich den Kiangsu-Club in Tapautau, auch Gildehaus genannt. Am 12.7.1907 übergibt H. Schubart die neue Kaiserliche Gouvernementsschule, deren Direktor Prof. Paul Tuczeck wurde. Diese Feierlichkeit mit Blaskapelle, Kinderchor und örtlicher Presse wird von Gouverneur Oskar von Truppel, Hochbaudirektor Karl Strasser und viele Honoratioren der Stadt mit einem Kaiserhoch eingeleitet.
Neben den Bauvorhaben des Gouvernements hat Heinrich Schubart – so wie auch andere Architekten – private Aufträge angenommen, diese fotografisch festgehalten und erklärt. Hinzu kommen Stadtansichten, Bilder kultureller Ereignisse und Ausflüge. Heinrich Schubart hat eine Kleinbildkamera benutzt, daher ist die Qualität seiner Photos nicht so gut wie die der Bilder von Fotografen öffentlicher Ereignisse (Besuch Yang, Pferderennen) auf denen er dann auch selbst zu finden ist.
Die Landschaft der Provinz Kiautschou begeistert Heinrich Schubart. Er beschreibt die geologische Beschaffenheit und schildert die Farbenpracht in und um Tsingtau: „Der grüne, gelbe, blaue und braune Granit leuchtet in der hügeligen Landschaft, die Ravinen bilden eine ganz eigene Formation. Bäume sind mit Sicherheit das Zeichen für ein Dorf oder für einen Friedhof, weil alles Holz bis zum kleinsten Reis zum Feuern benutzt wird. Hinzu kommen die Farben des Himmels und des Meeres.“ Die Fotos und Berichte über die Ausflüge beschreiben die Armut in den Dörfern – Kinder mit Reisbäuchen – aber auch die sorgfältig bepflanzten Felder mit Hirse und Bohnen und das Dreschen des Weizens. Klosteranlagen im Lauschan und Taischan werden besucht. Auf den Wochenmärkten beobachtet er die Handwerker und ihre große Geschicklichkeit bei primitivem Handwerkszeug. Kulis mit den „wheel-barrows“ und den Tragestangen aus Bambus beim Bau der Hafenstraße gehören ebenso dazu.
Überhaupt zollt H. Schubart den chinesischen Handwerkern große Anerkennung. Die europäischen Vorgaben können sie mit ihren Fähigkeiten ohne weiteres in solider Qualität umzusetzen. Er schildert und fotografiert deren Arbeiten: „Der felsige Untergrund ist oft nur von einer geringen Erdschicht bedeckt. Schon zur Planierung eines Baugrunds muß Gestein durch Hacken oder Sprengen abgetragen werden. Eine Schmiede zum Strecken und Härten der Eisen, Kulis beim Kalkmachen, 50-60 Steinmetze beim Abschnüren der Steine und eine Beschlagschmiede“ beobachtet er: „Die Leute scheinen doch etwas vom Handwerk zu verstehen, wenn man nach den Erfolgen ihrer Abnehmer und Auftraggeber, den Steinmetzen, urteilen will.“
Bei den nachfolgend aufgeführten und heute bekannten Bauten ist nicht immer geklärt in wieweit Heinrich Schubart die Gebäude entworfen hat oder ob er die Bauaufsicht innehatte. In den Akten hat wohl meist der Abteilungsleiter Karl Strasser unterzeichnet. Alle Bauten sind bis heute erhalten, nur das Jagdhaus ist ungewiß.
- Offizier-Speiseanstalt, Auguste Victoria Bucht (8 Laiyang Road, restauriert): Der Entwurf und die Bauleitung lagen in der Hand von H. Schubart. Sein Bautagebuch belegt den Beginn am 1. Oktober 1907, die offizielle Eröffnung fand am 29. Januar 1909 statt. H. Schubart beschreibt den großen Saal: „Paneel aus japanischer Esche schwarz–braun gebeizt, die Wandfarbe bordeauxrot, samtartig, Ornament preußischblau und elfenbeinweiß.“ – Man blickt von dort über das Meer nach Westen zur Arcona Insel (Xiaoqingdao) mit dem Leuchtturm und zum Perlgebirge.
- Moltke-Kaserne: Die Bauleitung H. Schubarts wird durch Fotos aus der Zeit vom 5.10.1907 – 2.6.1909 dokumentiert. Die Moltke-Kaserne war neben der Iltis-Kaserne und der Bismarck-Kaserne die dritte Anlage, sie lag am weitesten vom Meer entfernt nahe der Arbeitersiedlung Taitungtschen (Taidong Zhen). Einige Gebäude sind bis heute erhalten.
- Lerche-Denkmal: Bei der Irenebaude im Lauschan 1908 gebaut. Dazu gibt es eine Notiz im Jahresbericht des Tsingtauer Bergvereins (Marine-General-Oberarzt Lerche).
- Jagdhaus des Tsingtauer Jagdvereins – oder – möglicherweise Auftrag durch Rechnungsrat Nitschke: 1908 wurde es im Lauschan nahe bei Mu chia k‘u t’ao gebaut. Einige Fotos sind von Nitschke beschriftet worden, der 1908 im Mitgliederverzeichnis des Tsingtauer Bergvereins aufgeführt ist.
- Villa Hermann Solf, Elisabethweg (Qi Dong Road, heute Mehrfamilienhaus): Von Mai bis November 1909 wurde dieses Haus für den Tsingtauer Kajenverwalter von H. Schubart gebaut.
- Kaiserliches Observatorium: H. Schubarts größte und wichtigste Aufgabe war der Entwurf der Sternwarte, mit der die europäischen Observatorien um eine ostasiatische Beobachtungsstelle ergänzt werden sollten. Auf dem Wasserberg (Guanxiang Shan) steht das noch heute genutzte und gut restaurierte Gebäude. Von Juni 1910 – Januar 1912 erbaut, konnte H. Schubart den Bau nicht mehr überwachen, weil er bereits am 28.02.1910 Tsingtau verließ. Er hat nur noch ein Foto von dem Bauplatz machen können. Bei der Planung der Sternwarte hatte H. Schubart mit Hochbaudirektor Strasser Differenzen, der ihm vorhielt, seine Treppe sei eine „technische Unmöglichkeit“. Doch konnte man sich in einem anschließenden Dienstgespräch gütlich einigen, so daß es nicht zum drohenden Duell kam. – Die Aufgaben des Observatoriums bestanden im Sturmwarndienst, der Wettervorhersage und Beobachtungen zum Erdmagnetismus. Es besaß eine Normaluhr-Anlage mit einer Einrichtung zum selbständigen Fallenlassen des Zeitballes.
In Ostasien gab es zu Beginn dieses Jahrhunderts nur an wenigen Orten meteorologische Observatorien. Wetterbeobachtungen waren aber wegen drohender Taifune für die Seefahrt äußerst wichtig. So hatte die deutsche Marine ihr Kanonenboot „Iltis“ 1896 in einem Taifun vor der Küste von Shandong verloren.
Bevor Heinrich Schubart 1910 nach Deutschland zurückkehrte, machte er eine Studienreise durch die Mongolei, Siam, Java und Indien. Fotos dieser Reise sind in dem Buch „Buddhistische Symbolik“ von dem Religionswissenschaftler Gustav Mensching, seinem Schwager, veröffentlicht, Gotha, Leopold Klotz, 1929.
Am 16.8.1910 trat Heinrich Schubart seinen Dienst in der Allgemeinen Preußischen Bauverwaltung, Abteilung III, des Preußischen Finanzministeriums in Berlin, Kupfergraben, an. Er wohnte Berlin W62, Kleiststraße 6, 2. Stock.
Bereits 1910 erhielt er den Auftrag für den Entwurf und Bau des Amtsgerichts Königs-Wusterhausen. 1913 promovierte H. Schubart zum Doktor-Ingenieur an der Technischen Hochschule Dresden, „Der chinesische T’ing-Stil“ (Referent Prof. A. Schneegans, TU Berlin).
Am 15.8.1914 erfolgte die Einberufung nach Frankreich / Maas. Dort lernte er seine zukünftige Frau kennen, die als Krankenschwester in einem Lazarett arbeitete. Am 13.11.1917 heiratete er Emmy Schubart, geb. Colsman (21.06.1883 – 19.10.1972). Sie bekamen drei Kinder, Hanna Edith, geb. 4.8.1918, Friedrich Hermann Heinrich Werner, geb. 19.11.1919, und Adalbert Friedrich Heinrich Walter, geb. 14.2.1921.
1917/18 war Heinrich Schubart auf dem Balkan im Tal des Vardar am Bau einer Eisenbahnlinie und am Brückenbau beteiligt. Das Tal des Flusses Vadar ist die kürzeste Nord-Süd-Verbindung in Südosteuropa. Die Eisenbahnstrecke Belgrad, Skopje, Thessaloniki läuft durch das Tal. In Bursa und Kütahya, Türkei, baute er Überwinterungsanlagen für Seidenraupen (Deckung des deutschen/europäischen Bedarfs an Seide).
1918 kehrte Heinrich Schubart zu der Allgemeinen Preußischen Bauverwaltung, Abteilung III, zurück, ihm unterstand die Verwaltung der Staatsbauten.
1918-1921 studierte er chinesisch am Ostasiatischen Seminar der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin und erwarb das Dolmetscherdiplom.
1924-1925 baute er in Berlin-Charlottenburg ein Einfamilienhaus (Bautagebuch) für seine Familie.
Ein zweiter Chinaaufenthalt erfolgte von 1929-1931. Heinrich Schubart war Mitglied einer Beratergruppe in Nanking, um die die Kuomintang-Regierung unter Tschiang Kai-Tschek die weimarische Regierung gebeten hatte. Dem Wunsch nach militärischen Beratern wurde nur bedingt entsprochen. Unter der Leitung von Oberst Dr. M. Bauer wurden nur beurlaubte Militärberater entsandt, also sogenannte Zivilberater. Zusätzlich entsandte man Architekten, Forstwirte (für die Aufforstung) und andere Berufe, die für die Planung der „südlichen“ Hauptstadt sinnvoll waren.
- Schubart war am Bau des Mausoleums für Dr. Sun Yat-Sen beteiligt. Nach dem frühen Tod des chinesischen Architekten 1929 übernahm er vermutlich vor allem Restarbeiten an den Außenanlagen mit der Prachtstraße über die der Leichnam vom Fluß zum Mausoleum gebracht werden sollte. Weiterhin hat Heinrich Schubart in einem Baubuch neue Stadtviertel entworfen sowie neue Straßenzüge durch die Stadt auf Architekturplänen gezeichnet. Es soll sein spezifisches Anliegen gewesen sein, die mehr als 1000 Jahre alte Stadtmauer nicht abzureißen, sondern nur breite Tore zu schaffen, um Straßen für den gewachsenen Verkehr hindurchführen zu können. – Neben den Deutschen Arbeiten gab es auch Entwürfe amerikanischer Architekten, daher sind H. Schubarts Texte in englischer Sprache verfasst. – Wegen der raschen Entwicklung der Stadt wurden jedoch die Planungen praktisch nicht umgesetzt. Im Auswärtigen Amt liegt sein Abschlußbericht vor, welche vermittelt, daß die Arbeit der Zivilberater wenig zufriedenstellend war.
In Hangchow arbeitete H. Schubart für eine Modernisierung der Bauordnung. Von dieser Stadt gibt es zahlreiche Pläne und Blaupausen, auf denen beeindruckende Umplanungen eingezeichnet sind. Daß auch diese Stadt neu geplant werden sollte, ist wohl weniger bekannt, denn es gilt für diese Stadt das Sprichwort: „Was für den Christen das Paradies, ist für den Chinesen Hangshow.“
Im September 1930 folgte die Familie mit dem Schiff „Kulmerland“ und lebte in Shanghai, Seymour Road (Shaanxi Bei Lu). Am Wochenende kam H. Schubart aus Nanking, und man ging zum 5 o’clock Tea ins Peace Hotel. Oder man folgte einer Einladung des Herrn Ma, wo die Söhne des zu ehrenden Mr. Shu-ba-dse rechts und links des Hausherren sitzend mit Leckerbissen aus dem Suppentopf gefüttert wurden, währen Ehefrau und Tochter beim Hauspersonal speisten. Die Sommerferien verbrachte man in Kuling (nach dem englischen „cooling“) im Lushan-Gebirge, der Höhenkurort für Ausländer. Die Familie machte vor ihrer Rückkehr eine Rundreise durch China, die mit vielen Fotos dokumentiert ist. – Im Herbst 1931 verließ die Familie China mit der Transsibirischen Eisenbahn.
Im November des Jahres kehrte H. Schubart an seinen Arbeitsplatz in Berlin zurück.
Während der China-Aufenthalte hatte ihn Ministerialrat Homann vertreten. Finanzminister J. Popitz war seit 1933 der Chef. Zu beiden hatte er wohl ein gutes Verhältnis. – Ab 1935 war H. Schubart für die Umbauplanung und Ausführung der Deutschen Reichsmünze Berlin zuständig (Architekt: A. Reck, F. Keibel). – 1941 wurde H. Schubart als Ministerialdirigent pensioniert.
In den Jahren 1943/44 fielen Brandbomben auf das Haus in Berlin-Charlottenburg, viele Unterlagen der China-Zeit wurden vernichtet. 1945 kam es zur Einquartierung erst russischer, dann englischer Besatzungsmächte, so daß H. Schubart 1948 nach Langenberg/Rheinland übersiedelte, dem Geburtsort seiner Ehefrau.
1949 entwarf er ein Einfamilienhaus in Cuxhaven für seine Tochter Edith.
Am 2.12.1955 starb H. Schubart im Alter von 77 Jahren in Langenberg/Rheinland.
1.5.2017 – verfasst von Dr. Helga Landau